Aktives Zuhören
Soziale Medien haben uns scheinbar erfolgreich konditioniert, schnell und unreflektiert Antworten zu geben und seine Meinung bei jedem Anlass kundzutun.
Eine sinn- und gehaltvolle Auseinandersetzung mit den Argumenten des Gegenübers wird oft gleich gar nicht angestrebt. Leider hält dieses Verhalten auch immer öfters, sehr oft bei Jugendlichen, auch außerhalb der sozialen Medien, also im „richtigen“ Leben Einzug.
Zuhören scheint zu einer Seltenheit verkommen zu sein und so sind Mißverständnisse und Konflikte vorprogrammiert, obwohl sie doch einfach zu verhindern wären.
Das aktive Zuhören gehört zweifellos zu den am meisten unterschätzten Fähigkeiten in zwischenmenschlichen Beziehungen. Es ist tatsächlich überaus schwierig und erfordert viel Konzentration. Ständig wird man von den eigenen Gedanken, Erwartungen und Vorurteilen beeinflusst. Das eigene Ego in Griff zu bekommen ist schwieriger und herausfordender als man denkt. Den Zwang, immer und überall den eigenen Senf dazu geben zu müssen zu widerstehen, kostet Energie. Abgesehen von den verbalen Versuchen seine Gedanken sofort zu äußern, laufen, gänzlich unmerklich, die non-verbalen Kommunikationsformen ab. Mimik, Gestik und sonstige unbewusste Bewegungen werden von unserem Gegenüber wahrgenommen.
Der amerikanische Kommunikationsforscher William Isaacs formulierte es so:
„Zuhören heißt, inneres Schweigen […] man muss sich bewusst darum bemühen, in sich selbst und gemeinsam mit anderen ein Setting zu kultivieren, in dem Zuhören möglich ist, oder, anders ausgedrückt: Wir müssen einen Raum schaffen, in dem Zuhören geschehen kann.“
Beim Lesen hat man die Möglichkeit nicht verstandene Sätze und Passagen noch einmal zu lesen. Beim Zuhören ist das nicht möglich, man kann dem Gesagten nicht ein weiteres Mal zuhören, daher verlangt Zuhören ein besonderes Maß an Konzentration. Darüber hinaus nimmt man automatisch alle körpersprachlichen Signale seines Gesprächspartners wahr und verarbeitet diese, teils unbewusst, teils bewusst. Verliert man auch nur kurz die Konzentration, verliert man oft den Faden. Sind Sie schon einmal in langen, ermüdenden Meetings gesessen? Oder fragen Sie einfach Schulkinder über den Inhalt der letzten Schulstunde.
Nicht nur der Kampf gegen abschweifende Gedanken aber auch das Bedürfnis, eigene, spontan hochkommende Emotionen, Erinnerungen und ähnliches aussprechen zu müssen, funken uns dazwischen und stören diesen Aktiv-Zuhören-Prozess.
Daniel Barenboim vergleicht es folgendermaßen:
„Aufnahmen eines Tonträgers erhöhen die Wahrscheinlichkeit, daß man Musik hört, ohne ihr zuzuhören, ohne sie zu erfassen. Die Verantwortung dafür liegt bei uns selbst: denn wir entscheiden schließlich selbst darüber, ob eine Aufnahme der Erhellung und Vertiefung dient oder ob sie einzig und alleine der Zerstreuung dient.“
Sich die Zeit nehmen und sich auf ein Gespräch einzulassen, diesem Raum zu geben, kann sehr erhellend und tiefgreifend sein und schafft eine Atmosphäre des Respekts und Vertrauens.
Trotz sozialer Medien und immer kürzer werdender Aufmerksamkeitsspanne dürfen wir diesen Aspekt der menschlichen Kommunikation nicht vernachlässigen.
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